Der König der Löwen – 25 Jahre später…

Der König der Löwen – 25 Jahre später…

Alles neu dank CGI. Aber wirklich besser?

Mit Disneys Klassiker Der König der Löwen verbinde ich sehr viele emotionale Kino-Erlebnisse. Aus diesem Grund habe ich mich auf den Kinobesuch des Remakes eigentlich gefreut, doch die Freude währte nicht allzu lange… wer nicht warten kann, klickt hier, um direkt zu meiner Besprechung zu kommen.

Doch immer der Reihe nach: Am 09. Juli 1994 machte ich mich mit ein paar kinoverrückten Freunden auf nach Garmisch-Partenkirchen. Wir wollten uns im Kinocenter Garmisch & Aspen-Theater im Lamm Disney’s The Lion King ansehen. Doch warum nur dort? Nun, zu dieser Zeit war -ohne das Internet und einer IMDb– noch jeder neue Film aus USA etwas Besonderes. Der US-Start war am 24. Juni 1994. In Deutschland startete Der König der Löwen allerdings erst am 17. November 1994. Es war der große Disney Weihnachtsfilm – das hatte damals Tradition.

Warum konnte das Kino in Garmisch diesen Film schon früher zeigen? Es gab in Garmisch damals eine große Kaserne der US-Army. Und da man den Soldaten und ihre Familien in der Freizeit das gleiche Kinoprogramm wie zuhause bieten wollte, gab es für dieses Kino wohl eine Ausnahme. Wie das genau zustande kam weiß ich nicht. Es interessierte mich damals auch nicht, wir wollten den Film einfach so früh wie möglich sehen, denn in das Kino hatte jeder Zutritt. Man musste nur über das Programm Bescheid wissen und selbstverständlich liefen die Filme nur in der Originalfassung.

König der Löwen noch nie auf Deutsch gesehen

Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum ich den König der Löwen bis heute noch nie auf Deutsch gesehen habe. Zum regulären Deutschland-Start im November habe ich ihn mir dann nochmals angesehen – ebenfalls auf Englisch in meinem Stammkino, dem CINEMA München. Denn die Songs und die englischen Stimmen waren mir inzwischen durch den Soundtrack so ans Herzen gewachsen, dass ich mir die deutschen Songs nie anhören wollte. Übrigens geht es mir bei Musicals und Opern ähnlich, auch da sehe ich immer lieber die Originalfassung. Soviel also zu meiner Vorgeschichte.

Der König der Löwen – 2019

Der König der Löwen (2019) © Disney.

Ein wichtiger Punkt vorab: ich habe grundsätzlich nichts gegen Disneys Strategie, die Animationsklassiker als Live Action Neuverfilmung zu veröffentlichen -ganz im Gegenteil. Rein aus wirtschaftlicher Sicht ist das ein geradezu genialer Schachzug, den so kein anderes Studio vollbringen kann. Und bisher waren die „re-imagined Classics“ auch nicht schlecht. Mit Abstand am besten hat mir bisher Die Schöne und das Biest (2017) mit Emma Watson gefallen. Bei dieser Neuverfilmung stimmte einfach alles: die Schauspieler, das Setting, die Special Effects und -sehr wichtig- die Musik!

Als die Neuverfilmung von König der Löwen angekündigt wurde, arbeitete ich noch bei Disney und für mich war es damals ein „No-brainer“, dass hier eigentlich nichts schiefgehen kann, wenn man sich nur die Zahlen ansieht:

Allein in Deutschland hatte der Film über 11 Millionen Kinobesucher! Das ist heute eine schier unvorstellbare Zahl. Solche Zahlen hat zuletzt vor über 10 Jahren Avatar von James Cameron geschafft. Der Erfolg von König der Löwen zog diverse andere Produktionen nach sich: ein Erfolgsmusical, zwei Direct-to-video Fortsetzungen, eine TV-Serie und sehr viel Merchandise.

Und auch der Erfolg der Neuverfilmung gibt den Produzenten Recht: bisher hat der neue Film weltweit über 1 Mrd. US-Dollar eingespielt, in Deutschland hat der Film schon über 2 Millionen Besucher, wahrscheinlich wird er an diesem Wochenende (3./4. August 2019) die 3 Millionen-Marke knacken. Aus diesem Blickwinkel hat man also alles richtig gemacht, oder? Nun, aus finanzieller Sicht vielleicht, aber auch aus künstlerischer Sicht? Na dann legen wir mal los. Noch ein Hinweis: alle meine Kommentare beziehen sich auf die englische Originalfassung. Es folgen auch Spoiler zur Handlung, aber ich gehe davon aus, dass jeder die Geschichte des Films kennt.

The good…

Beginnen wir zuerst mit den positiven Aspekten:

  1. Der Film ist technisch perfekt!

    Visuell absolut umwerfend, der Anfang und das Ende sehen wirklich fast 1:1 genauso aus wie der Animationsfilm. Ob man das gut findet oder nicht, bleibt dahingestellt. Mir hat’s gefallen. Allerdings habe ich mir nach der perfekt animierten Neuverfilmung von The Jungle Book auch nichts anderes erwartet.

  2. Timon & Pumba

    Die beiden ungleichen Freunde von Simba waren schon im Original die heimlichen Lieblinge und deshalb bekamen sie auch ihre eigene TV-Serie. Die Neuverfilmung schafft es, dass die beiden noch witziger als im Original sind und dabei natürlich perfekt animiert die zweite Hälfte des Films dominieren.

  3. James Earl Jones spricht erneut Mufasa

    Was für ein Glück, dass der mittlerweile 88-jährige James Earl Jones noch einmal Simbas Vater Mufasa seine Stimme leiht! Das sind -wie auch schon im Original- die emotionalsten Momente des Films. James Earl Jones sprach übrigens auch Darth Vader in den Star Wars Filmen. Es lohnt sich also durchaus mal die Originalfassung anzusehen….

  4. Der Forrest-Gump Moment

    Die Szene, in der Rafiki erfährt, dass Simba noch lebt, war für mich die einzige wirklich innovative Szene des Films und erinnerte mich sofort an den Feder-Moment aus Forrest Gump. Mehr wird nicht verraten!

  5. Der finale Kampf

    Ähnlich wie in The Jungle Book ist der finale Kampf zwischen den Löwen und den Hyänen sehr actionreich und spannend inszeniert. Hier hat die Neuverfilmung klar die Nase vorn. Das war’s dann aber auch schon.

The bad…

Trotz der technischen Perfektion funktioniert bei der Neuverfilmung leider so einiges nicht:

1. Besetzung der Stimmen

Obwohl die englische Stimmbesetzung viele große Namen aufweist, kann die Neuverfilmung nicht mit den Stimmen des Originalfilms von 1994 mithalten:

  • Scar – der böse Onkel von Simba wird im Original vom genialen Briten und Oscar®-Preisträger Jeremy Irons gesprochen. Seine fiese, hinterlistige Betonung machen Scar im Original einfach zum perfekten Bösewicht! Dagegen sieht Chiwetel Ejiofor, den ich sonst als Schauspieler sehr schätze, total blass aus.
  • Der Nashornvogel Zazu wird im Original von „Mr. Bean“ Rowan Atkinson gesprochen. Auch hier kommt der Brite John Oliver überhaupt nicht an die Finesse des Originals heran.
  • Das hinterlistige, aber oft trottelige, Hyänen-Trio Shenzi, Banzai und Ed werden im Original von Oscar®-Preisträgerin Whoopie Goldberg, Cheech Marin und Jim Cummings gesprochen. Auch ihnen können ihre 2019-Pendants leider nicht das Wasser reichen…
  • Und auch die Besetzung der Hauptfigur, des erwachsenen Simba, mit Donald Glover kommt nicht an das Original von Matthew Broderick (Ferris macht blau, Biloxi Blues) heran.

Das YouTube-Video unten gibt glaube ich einen ganz guten Einblick dazu.

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2) Es kommen keinerlei Emotionen auf

Sehr verwundert hat mich, dass mich der Film emotional überhaupt nicht gepackt hat. Ich hatte lange keine Erklärung warum dies so war, die Musik, die Charaktere sind doch alle gleichen wie im Animationsfilm, oder? Ja, aber die animierten Figuren waren auf ihre Weise wirklich eigene, originelle Charaktere, die teilweise sogar Charakterzüge ihrer Sprecher trugen. So etwas geht halt nur bei einem Animationsfilm. Die Tiere im neuen Film sind dagegen CGI-Tiere, die so gut wie keine Emotionen rüberbringen. Man mag es kaum für möglich halten, aber der Animationsklassiker war und ist deutlich emotionaler!

The ugly…

Jetzt kommen wir zu dem Teil, der mich wirklich leiden ließ – die Musik und die Songs! Selbst jemand, dem die Musik in Filmen sonst nicht auffällt wird zugeben müssen, dass der Erfolg von König der Löwen zu 85%, wenn nicht sogar mehr der Musik zugeschrieben werden kann. Hans Zimmer und Elton John haben für ihre Arbeit zu Recht je einen Oscar gewonnen. Hier kann man doch eigentlich nichts falsch machen… oder? Doch, man kann… leider.

1. Can You Feel The Love Tonight

Man möchte es nicht für möglich halten, dass dieser Song in einer Vorabfassung des Originalfilms 1994 nicht enthalten war und Elton John erst persönlich intervenieren musste, dass er wieder in den Film integriert wurde. Dieser Song gewann dann schließlich den Oscar für den besten Originalsong. Die Version von 2019 hat mich total enttäuscht: eine weichgespülte, emotionslose Version! Diese Fassung hätte 1994 niemals einen Oscar gewonnen. Hier zum Vergleich das Original:

2. Be Prepared

In einem Disney Animationsmusical hat fast jeder Bösewicht einen eigenen, genialen Song, so zum Beispiel:

„Poor, Unfortunate Souls“ der Meerhexe Ursula in „Arielle – Die Meerjungfrau“:

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„Gaston“ von Gaston in „Die Schöne und das Biest“:

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Und eben auch „Be prepared“ von Scar im Original König der Löwen:

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Auch hier zeigt sich wieder die Schwäche der Stimmbesetzung von Chiwetel Ejiofor als Scar: der Song kommt in der 2019er Version total uninspiriert daher und man hat fast den Eindruck, als würde Scar/Ejiofor innerlich sagen: „na gut, wenn es unbedingt sein muss, dann singe ich ihn halt, weil jeder darauf wartet“. Ähnlich verhält es sich auch mit den

3. Restlichen Songs:

Alle Songs wirken irgendwie aufgesetzt, als müsse man sie „abarbeiten“, weil sie halt an einer bestimmten Stelle im Film dran sind. Das Drehbuch schafft es nicht, die Songs nahtlos in die Handlung zu integrieren. „I Just Can’t Wait To Be King“ war zwar noch ganz OK, aber „Hakuna Matata“ und leider auch „Circle of Life“ zu Beginn schaffen es nicht, mich so wie beim Original zu packen. Lediglich „The Lion Sleeps Tonight“, den Timon und Pumba singen, ist besser als im Original. Völlig unnötig und belanglos sind dagegen die neuen Songs von Beyoncé („Spirit“) und Elton John („Never Too Late“). Insgesamt wirkt die gesamte Musik verhaltener und deutlich weniger emotional als beim Original. Wessen Schuld ist das denn nun? Bestimmt nicht von Elton John oder Tim Rice. Die Musik der 2019er Version hat kein geringerer als Pharrell Williams („Happy“) produziert… Hier war aus meiner Sicht eher insgesamt kommerzielles Kalkül am Werk als wirkliche musikalische Innovation.

4. Der Score von Hans Zimmer
Lion KIng 2019 - OST

Um es kurz zu machen: der Score bietet zwar einige neue Tracks (schließlich ist der Film auch 118 Minuten statt ursprünglich 89 Minuten lang), wie z.B. „Simba is Alive!“ und das 11-minütige „Battle for Pride Rock“. Doch auch Zimmer verlässt sein bekanntes Terrain nicht und kehrt immer wieder zu bekannten Melodien und Themen zurück. Somit bekommt man zwar ein paar Variationen, aber wirklich interessant und stimmig ist auch das leider nicht. Wer wirklich Wert auf den Score legt, dem empfehle ich die 2-CD Ausgabe aus der Walt Disney Legacy Collection mit der Musik aus dem Originalfilm:

Mein Fazit: Die Luft ist raus

So sehr ich mich auch auf das Remake gefreut hatte und hoffte, zufrieden aus dem Kino zu gehen, so muss ich leider feststellen, dass mich der Film aus den zuvor genannten Gründen sehr enttäuscht hat – trotz aller technischer Perfektion. Vielleicht war er zu perfekt? Läuft sich die Strategie der Neuverfilmungen irgendwann zu Tode? Ich befürchte es. Doch solange die Filme finanziell erfolgreich sind, wird es so weiter gehen. Und es stehen schon weitere Filme in den Startlöchern: als nächstes startet die Mulan-Neuverfilmung im nächsten Frühjahr. Der Trailer sieht eigentlich ganz vielversprechend aus:

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Außerdem wurden von fast jedem Animationsklassiker Neuverfilmungen angekündigt, u.a. Pinocchio, Peter Pan und Schneewittchen und die sieben Zwerge. In der IMDb gibt es eine komplette Liste. Scott Mendelson, der Entertainment-Kolumnist des Forbes Magazins hat übrigens einen sehr lesenswerten Artikel über die derzeitige Dominanz meines ehemaligen Arbeitgebers geschrieben: „Disney Is A Symptom, Not The Cause, Of The Problems Facing Hollywood“. Werde ich mir die künftigen Remakes alle ansehen? Ich weiß es nicht, ich muss erst noch Dumbo und Aladdin nachholen, die ich im Kino verpasst habe. Meine Lust auf weitere Neuverfilmungen hat aber durch den neuen König der Löwen erst einmal deutlich nachgelassen…

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